Es gibt Kinder, die malen Bilder. Aber es gibt auch Kinder, die sehen sich viel lieber Bilder an. Keine gerahmten Bilder zu Hause an der Wand oder echte Gemälde in Museen, sondern Bilder vom Fernseher oder Computer. Hauptsächlich bewegte Bilder, also Filme, aber auch Handy-Fotos oder Fotos von der Digitalkamera.
Auch Johannes liebte Filme und digitale Bilder über alles. Seine größte Leidenschaft waren unheimliche Abenteuer-Filme oder phantastische Geschichten auf DVD oder auch altertümliche Science-Fiction-Videos seiner Eltern. Er drehte auch selbst so manches Filmchen mit der Digitalkamera seines Vaters. Am liebsten machte er dies unbemerkt von seiner Umgebung. Ob Tante Charlotte auf Mutters Geburtstagsfeier sich mit der Kuchensahne bekleckerte oder Papa am Abend weinbeschwipst Oliven mit der Kuchengabel zu fangen suchte, stets fand er einen lustigen Anlass zu filmen oder auch nur Schnappschüsse zu machen.
Johannes wohnte seit Kurzem mit seinen Eltern und seiner kleinen Schwester in einem neuen Reihenhaus. Der kleine Garten hinter dem Haus bestand nur aus einer frisch eingesäten Rasenfläche vor der Terrasse. Aber die Eltern hatten sich Mühe gegeben, den Kindern dort alles schnell so einzurichten, wie es fast einem richtigen Spielplatz entsprach. So stand mitten drin eine gelb-blaue Plastik-Schaukel neben einem Sandkasten, auch ein Plastik-Spielhaus mit rotem Dach hatte der Vater errichtet.
Eben bunt und vor allem lebendig sollte es sein, das Bild, das der Vater von Haus, Garten und Familie Anderen gemacht hatte.
Als eines Nachts am Heiligabend der bunt geschmückte Weihnachtsbaum in Flammen aufging, versuchten Mama und Papa aufgeregt den Brand mit Wasser und Decken zu löschen. Und es gelang – der Schreck aber war groß, das Wohnzimmer durchnässt und überall schmückten schwarze Rußteilchen Wände und Möbel. Ich weiß es genau, denn Johannes hatte alles mit seiner neuen Handykamera gefilmt.