In der Savanne Brasiliens: Über das Einsetzen der Regenzeit

 

Ich lag entspannt und etwas schläfrig in einem bequemen Schaukelstuhl. Unter dem Dach der breiten Veranda beobachtete ich blinzelnd nicht weit von mir einen katzengroßen braunen Nasenbären in der ausladenden Krone eines wuchtigen Mango-Baumes. Gewandt, mit stützendem Schwanz, balancierte er griffsicher durch Geäst und Blattwerk.

Mein Blick glitt in die Ferne, weit über die flachwelligen Hügel der Cerrados, wo gelblich-violette Bänder über dem staubgrauen Horizont zu huschen schienen. Darunter erstreckten sich endlos ausgedörrte Weideflächen. Nur schemenhaft waren kleinere Gruppen von weißlichen Rindern auszumachen. Sie schienen unter lichten Baumgruppen Schutz zu suchen.

Immer heftigere Böen heißer Winde strichen zu mir herüber – Vorboten der sich ankündigenden Regenzeit.

Der kleine Nasenbär war verschwunden. Hin und her gerissen, von nun plötzlich aufbrausenden Böen gepeitscht, wandten sich die Zweige an den Ästen des riesigen Mango-Baumes wie unter Schlägen in der unwirklichen Trübe des späten Nachmittages. Mit angelegten Blättern flohen sie mal in die eine, mal in die andere Richtung, als wüssten sie nicht, wohin sie entkommen sollten. Nur knapp strichen sie über das flach geneigte Schindeldach des alten Herrenhauses. Dann wurde es für einen Augenblick gefährlich still. Ich war nun hellwach und atmete gespannt, alle Sinne geschärft. Schmeichelnd-warme Luft strich mir nun langsam über die Haut und durch mein Inneres, schwach nach Ozon und erdigem Staub riechend. Die armgleichen Äste des Mangeira hingen wie erschöpft herab. Das windige Heulen und Pfeifen schien sich in irgendeinem Erdloch verfangen zu haben. Ein wenig noch erschauerten die Blätter mit einem Nachzittern, bevor sie sich in ihr Schicksal ergaben. Noch immer war kein Tropfen gefallen. Ein weiterer Windhauch, dann war es wieder still. Trügerische Ruhe.

Als der Himmel seine Pforten öffnete, saß ich demütig und erwartungsvoll, wie gebannt vor der landschaftlichen Kulisse. Das alles übertönende Trommeln unzähliger schwerer Tropfen ließ keinen Gedanken entstehen. Der Sturzregen nahm der dürstenden Erde bald alle Luft zum Atmen und schien sie unter sich ertränken zu wollen. Die hin und her schwingenden riesigen Äste des Mangeira schienen die Luftschlacht dirigieren zu wollen.

Bald schon schob sich krakenartig ein schwarzer Wasserfilm langsam von der Außenkante des Verandabodens zu mir hin, die glatten hölzernen Dielen mit dunklem Glanz überziehend. Zuerst noch etwas zögerlich aufeinander zukriechend, schlossen sich die Lachen bei Berührung schnell zusammen. Es gab kein Entrinnen. Unaufhörlich näherte sich das schmutzig-dunkle Nass der weißgetünchten Wand des ehemaligen Herrenhauses. Auf der erhöhten Schwelle der geöffneten Verandatür brachte ich mich in Sicherheit und beobachtete gebannt den Überlebenskampf der aus dem ertränkenden Boden getriebenen Bewohner. Giftige bleich-plumpe Erdschlangen, rötlich-rostdrahtige Würmer und große behaarte ockerbraune Spinnen schlängelten, zuckten und ruderten hilflos im jetzt schon knöchelhohen Wasser. Der ausgedehnte Garten, der allmählich zu einem tiefer und tiefer sinkenden Grund einer trüben See mit zahlreichen Schiffbrüchigen, ertrinkenden Sträuchern und Bäumen wurde, gab sein verborgenes Leben an der Oberfläche preis. Es roch seltsam gleichzeitig nach modriger Verwesung und Frische. Stürmischer Wind trieb mir heißen Regen ins Gesicht, und ich erwartete das Unbekannte.

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